Was sind die Commons-Sommerschulen?

Die Commons-Sommerschule ist ein Ort, an dem Praktiker*innen, Theoretiker*innen, Neulinge, erfahrene Commoner, Fühldenkende und Problehandelnde in das Thema Commons eintauchen können. Im Jahr 2012 wurde er ins Leben gerufen und bis 2021 insbesondere von der Commons-Forscherin und Aktivistin Silke Helfrich gehütet. 

Die Sommerschulen 2024

Commoning als Lebensweise

Resiliente Strukturen aufbauen für eine freie, faire und lebendige Welt

Wie können wir den dringend notwendigen Wandel in die Welt tragen und dabei der Komplexität der Gegenwart gerecht werden? Wie entwickeln und üben wir eine friedliche und resiliente Kultur ein, die dem Klimaumbruch bewusst begegnet und Polarisierung zu Dialog (oder gar gemeinsamer Ausrichtung) werden lässt? Wie gehen wir mit den bestehenden Versehrtheiten von uns Menschen und unseren Mitwesen um und verhindern, dass wir (uns) immer wieder neue emotionale Wunden zufügen? Wie schaffen wir Orte, an denen wir uns regenerien können? Wie etablieren und festigen wir mehr und mehr Strukturen und Qualitäten des Commoning in unser (aller) Leben?

Der gesellschaftliche Wandel, von dem so viele schon so lange sprechen, geschieht bereits. Dabei liefern der näher rückende Klimakollaps, der Verlust von Artenvielfalt, Armut, Kriege und Vertreibung viele Gründe für Zukunftsängste. Die gesellschaftlichen Bruchlinien zeigen sich auch in Form von Polarisierungen und der Ausbreitung autoritärer und menschenfeindlicher Einstellungen. In dieser Gemengelange wird mehr als deutlich, dass es nicht ausreicht, das Alte zu verteidigen. Es ist an der Zeit, unseren Transformationssehnsüchten zu folgen, die vorhandenen Gestaltungsmöglichkeiten wahrzunehmen und uns resilient für die stattfindenden Umbrüche aufzustellen: gemeinsam und nicht gegeneinander.

Zahllose konkrete Probleme unserer Zeit entspringen der vorherrschenden Weltsicht, die auf der “Geschichte der Trennung” (C. Eisenstein)  aufbaut: die Geringschätzung von Care-Arbeit, die Diskriminierung von Menschen entlang unterschiedlicher Merkmale, das Abweisen von Menschen in Not an Landesgrenzen, die Ausbeutung unserer nicht-menschlichen Mitwelt, das Gegeneinander in den Krieg ziehen, usw. Um diesen trennenden Strukturen und Selbstverständlichkeiten zu begegnen, braucht es einen ganz grundlegenden Wandel unserer Art des gesellschaftlichen Zusammenlebens und unseres Seinsverständnisses. Also der Art und Weise, wie wir die Beziehungen zur Welt denken und wahrnehmen. Es braucht einen OntoWandel, wie Silke Helfrich es ausgedrückt hat. Es geht darum, wirklich zu begreifen und zu erleben, dass wir ganz grundlegend immer mit allem verbunden sind, dass Vielfalt wirkliche Lebendigkeit erst ermöglicht, und dass wir in einer Welt aus dynamischen Systemen und Prozessen leben. 

Während vieles aus den Fugen gerät, beginnt die bessere Welt, die unsere Herzen bereits kennen. In jedem Keim, jeder solidarischen Landwirtschaft, jeder gemeinstimmigen Entscheidung, in jeder bedürfnisorientierten Sorgetätigkeit, jeder sozialen Bewegung, die für Vielfalt und gegen Ausgrenzung einsteht, jeder freien Software, zu der ohne Zwänge beigetragen wird, in jeder tiefen Erfahrung von Naturverbundensein steckt das Potential für eine freie, faire und lebendige Welt. Commoning baut auf situiertem und wissenschaftlichem, verkörpertem und praxiserprobtem, neu erforschtem und jahrhunderte altem Wissen auf. Da all dies aus bestimmten historischen, geografischen und kulturellen Kontexten stammt, ist es nötig in der Praxis zu schauen, was tatsächlich hilfreich ist und wie es angepasst werden kann. Die Mustersprache des Commoning hilft uns, aus den gelingenden Praktiken des Miteinanders zu schöpfen und diese auf neue Situationen zu übertragen. Sie dient uns als Anker und Inspirationsquelle.

Als Gemeinschaffende:r (Commoner) zu leben passiert nicht alleine aus einer kognitiven Überzeugung heraus. Es braucht einen andauerenden Prozess des Verlernens der inneren Muster der Getrenntheit und ein fortwährendes Verinnerlichen, wie sich Leben in Bezogenheit anfühlt. Und es braucht organisatorische und gesellschaftliche Strukturen, die dies ermöglichen und fördern. Vor allem auf die Frage, wie Commoning als Lebensweise auf gesamtgesellschaftlicher Ebene in einer globalisierten Welt aussehen kann, gibt es noch keine gesicherten Antworten. Diese Erfahrungen haben wir schlicht noch nicht gemacht. Es gibt allerdings theoretische Ansätze, die sich damit beschäftigen und Beispiele, bei denen über hunderttausend Menschen mit dem Nötigen versorgt werden (CECOSESOLA in Venezuela). Nur wenn wir viele erprobte Lösungen finden, können wir resiliente Strukturen für alle gestalten, in denen wir uns als Gesamtgesellschaft verbundener, lebendiger und vielfältiger erleben können, und dabei den Herausforderungen der Zeit gemeinsam und angemessen begegnen können.

Wie arbeiten wir dort?

In Commons-Sommerschulen erleben wir, wie sich Commoning anfühlen kann. Wir erforschen, welche Strukturen wir im ökonomischen, sozialen und ökologsichen Miteinander brauchen. Und wir suchen nach Lösungen, um diese Erfahrungen in unsere persönlichen Alltage einfließen zu lassen. Dabei begreifen wir auf verschiedenen Erkenntniswegen, welche Muster ein Gemeinschaffen prägen, das auf einer Weltsicht von Verbundenheit, Prozessorientierung und der Wertschätzung für Vielfalt basiert. Wir arbeiten analytisch – mit Konzepten und Begriffen. Wir nutzen unsere Körper als Instrumente des Erfahrens, des Integrierens und des Ausdrucks. Und wir trauen unseren Emotionen als Wegweisern zu unseren persönlichen und kollektiven Wahrheiten.

Theoretische Hintergründe

Unsere Zugänge auf der Sommerschule basieren auf wissenschaftlichen Arbeiten insbesondere zur historischen Entwicklung von Allmenden, Einhegung, Gemeingütern, Commons und dem sozialen Prozess des Commoning, sowie über Transformationsstrategien, Tausch-, Wirtschafts-, und Gesellschaftstheorien. Die Mustersprache des Commoning spielt für uns eine besondere Rolle, ergänzt durch Hintergrundwissen zu Ontologien. In unserer Literaturliste findest du Material dazu.

Beziehungsarbeit

Um immer mehr in eine Ontologie der Verbundenheit hineinzuwachsen, ist Beziehungsarbeit auf vielen Ebenen notwendig: zu sich selbst – den eigenen Vorerfahrungen, Mustern und Verletzungen -, zum Gegenüber – dem Finden des stimmigen Abstands zwischen Verschmelzung und Getrenntheit -, sowie zur lebendigen Welt – dem sich wieder Beheimaten in einer größeren Zugehörigkeit. In der Sommerschule wollen wir Prozesse so gestalten, dass wir mutig weitere Schritte auf dieser Reise gehen können. Dabei orientieren wir uns an nervensystem-, und traumainformierter, emotionaler Arbeit und dem Wissen um Gruppenprozesse und -dynamiken, Körperarbeit, Tiefenökologie und dem Wissen um die tiefe Verbindung zu der natürlichen Welt.

Aus der Praxis heraus

Die Commons-Sommerschulen sind selbst Orte des Commoning. Im gemeinsamen Alltag der Sommerschule, sowie  in der inhaltlichen und verkörperten Arbeit, üben wir uns in Selbstorganisation auf Augenhöhe jenseits der Verwertungslogik. Die Teilnehmer:innen bringen ihre Erfahrungen und ihr Erleben mit und ein. Sie reflektieren und tauschen sich aus, stellen es in einen größeren Zusammenhang und übernehmen immer mehr / von Beginn an Verantwortung im Gruppenprozess. Sie werden zu einem inhaltlich bestimmenden Faktor des Ganzen.

Wer kann sich bewerben?

Wir laden alle ein, die die Welt vielfältig und lebensfreundlich gestalten wollen: Aktive aus Projek­ten und Netzwerken – oder auch nicht; Praktiker:innen und Theoretiker:innen genauso wie Men­schen, die mit dem Thema Commons bisher eher wenig zu tun hatten. Bewerben können sich Men­schen jeden Alters, jeden Geschlechts, jeder Herkunft… Bei der Entscheidung für ca. 20 Teilnehmer:innen pro Sommerschule achten wir auf Vielfältigkeit. Thematische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Wichtig ist nur die Bereitschaft zum Mitgestalten und die Neugier, einen eigenen Ausdruck dafür zu finden, worum es gehen könnte.

Diese Einladung richtet sich vor allem an Menschen, die bisher noch nicht an einer Commons-Sommerschule teilgenommen haben. Zusätzlich gibt es zwei Plätze pro Sommerschule, auf die sich auch ehemalige Teilnehmer:innen bewerben können. Wir wünschen uns, schon im Commons-Myzel verwurzelte Teilnehmende, die vom Bestehenden berichten können und den neuen Sommerschüler:innen auch nach der Sommerschule als Ansprechpartner:innen zur Seite stehen und beim Einweben in beste­hende Strukturen behilflich sind. Falls du dich auf einen dieser Plätze bewerben möchtest, mach dies bitte in deinem Schreiben kenntlich und erzähle uns, in welchen Commoning-Strukturen du dich auskennst und zu Hause fühlst.

Wenn du gerne Kinder mitbringen würdest, bewirb Dich bitte für die Commons-Sommerschule in Fehring/Österreich. Für diesen Zeitraum haben wir zwei zusätzliche Menschen aus dem Commoning-Myzel im Team. Sie erproben mit uns gemeinsam, wie Kinder gute Teil der Sommerschule sein können. Das Programm der Sommerschule wird dieses Jahr noch nicht komplett kindertauglich sein. Es ist uns wichtig, uns und die Gruppe nicht zu überfordern und uns bewusst zu sein, dass wir vieles noch nicht können und nicht perfekt sein müssen. Und es wird sicherlich einige Programmpunkte geben, die mit Kindern noch mehr Spaß machen. Für die anderen Zeitfenster können wir die schöne Natur und Infrastruktur des Cambiums erforschen, betollen und bespielen.

Welche Teilnahmevoraussetzungen gibt es?

Die Beteiligung am Gesamtprogramm der jeweiligen Sommerschule ist voraussetzend.

Das heißt für die Sommerschule in Gerswalde: Organisiere deine Anreise bis spätestens am Montag, dem 27.05.2024 um 15 Uhr und deine Abreise frühestens für Dienstag, den 04.06.2024 um 15 Uhr.

Für die Sommerschule in Fehring bedeutet das: Organisiere deine Anreise bis spätestens am Dienstag, dem 10.09.2024 um 15 Uhr und deine Abreise frühestens für Mittwoch, den 18.09.2024 um 15 Uhr.

Warum uns das wichtig ist, kannst Du hier nachlesen.

Die Commons-Sommerschule findet in deutscher Lautsprache statt. Bitte kontaktiere uns früh­zeitig, falls dies deine Teilnahme unmöglich machen würde. Dann können wir gemeinsam über Unterstützungsmöglichkeiten, zum Beispiel durch Gebärdenlautsprachedolmetschende, beraten.

Finanzierung

Wir werden zum Abschluss der jeweiligen Sommerschule die gemeinsam erlebte Woche durch eine anonyme Beitragsrunde solidarisch finanzieren. Dabei ist uns wichtig, dass jeder Mensch, unabhängig vom jeweiligen Zugang zu Geld, teilnehmen kann. Mehr zur Finanzierung findest du hier.

Dieses Jahr wollen wir mit einem “Teilnahmepfand” von 100 Euro probehandeln. Nachdem du eine Zusage von uns für die Sommerschule bekommst, bestätigst du uns mit deiner Überweisung deine verbindliche Anmeldung. Dieser Betrag wird dir bei einer Absage nicht zurückerstattet. Warum wir uns für diese Variante entschieden haben, findest du hier. Wenn du sehr geldarm lebst und den Pfand nicht aufbringen kannst, melde dich gerne bei uns. 

Termine 2024

Sommerschule I

27.5. – 4.6. Gerswalde (Brandenburg, D.)

Der Große Garten, Dorfmitte 7, 17268 Gerswalde, Deutschland

Sommerschulteam: Sarah Ackerbauer, Sigrun Preissing & Johannes Euler
unterstützt durch Nane Meents

Sommerschule II

10. – 18.9. Fehring (Steiermark, Ö.)

Cambium, Kasernenstrasse 2, 8350 Fehring, Österreich

Sommerschulteam: Sarah Ackerbauer, Sigrun Preissing & Johannes Euler
unterstützt durch Nikolas Kichler

Kinderbegleitung: Gina Paysan & Claudia Binder

Die Anmeldefrist für 2024 ist abgelaufen. Wir haben fast 80 wunderschöne Bewerbungen bekommen. Danke dafür!
Du bist zu spät dran und/oder möchtest über die Einladung zur Sommerschule 2025 informiert werden? Schreib uns doch eine kurze Mail über das Kontaktformular.

Wie bewirbst du dich?

Für die Bewerbung zur Teilnahme an einer der diesjährigen Commons-Sommerschulen waren zwei Schritte bis zum 17. März 2024 erforderlich. Erst mit dem Eingang von beidem gilt deine Bewer­bung als vollständig und wird von uns bearbeitet:

  1. Bitte schicke eine Email mit einer formlosen Kurzvorstellung deiner Person & Motivation an sommerschule ät commons-institut.org.
  2. Fülle das hier verlinkte Formular (z.B. mit Angaben zu Schlaf- und Essenswünschen) vollständig aus und schicke es ab.

Die Entscheidung bezüglich der Teilnahme bekommst du in der ersten Aprilhälfte 2024. 

Wir freuen uns auf eure Bewerbungen!
Sigrun Preissing, Johannes Euler & Sarah Ackerbauer
Getragen und unterstützt vom Sommerschulen-Hütekreis

Programmentwurf für die Commons-Sommerschulen 2024

1. TagAnreise bis 15 Uhr
Ankommen, Auftakt, Kennenlernen
2. TagEintauchen in Weltbilder
Einführung Commonstheorie: von Gemeingütern zum Commoning
3. TagHerausforderungen des Commonings vergegenwärtigen
Die Mustersprache des Commoning: Von Praktiken des Gelingens lernen
4. TagTransformationsmöglichkeiten im Innen, im Alltag, der Gesellschaftsstrukturen erkunden
Das Commons-Mycel kennenlernen
5. TagWandertag in der Umgebung
Zwischenreflexion
6. TagOpen Space
7. TagOpen Space
8. TagOpen Space
Finanzierungsrunde, Dokumentation & Auswertung
9. TagAuswertung & Abschied
Abreise ab 15 Uhr

Die finale Programmfassung bekommt ihr kurz vor der Commons-Sommerschule.

Durch die Sommerschule begleiten

Sarah Ackerbauer

Ich bin ehem. Sommerschülerin und habe 2016, 2017 und 2021 die Commons-Sommerschule mit Silke Helfrich gemeinsam getragen. Ich lebe derzeit mit zwei Kindern in der Region im Wandel im Fuchsmühlen-Netzwerk und erlebe in unserem Netz­werk jeden Tag neu, wie der Beginn einer Commoning-Gesellschaft aussehen kann. Ich habe meine Hände gerne in der Erde, meinen Körper im Bach und meine Träume unter dem Sternenhimmel. Ich liebe die sensible Arbeit mit Menschen im Kreis, das In-Kontakt bringen mit der Lebendigkeit, die durch alles fließt und das Erforschen von körperlichen und emotionalen Begreifen. Dabei bin ich inspiriert von meinen Erfahrungen aus der Wildnis-, der Theaterpädagogik und gewaltfreier Kommunikation. 

Johannes Euler

Im Commoning habe ich ein Herzens- und Lebensthema gefunden, das mich seit vielen Jahren praktisch, aktivistisch und akademisch beschäftigt. Als Teilnehmer der Sommerschulen 2012 und 2021, Mit-Organisator der Sommerschulen 2022 und 2023, in wissenschaftlichen Publikationen, in Seminaren und Workshops, beim Bauen und Beleben eines Hausprojekts, in sozialen und ökologischen Bewegungen und bei so vielen anderen Gelegenheiten wird mir immer wieder bewusst, wie vielfältig und weitreichend Commoning unsere Leben hin zu einer inklusiveren und verbundeneren Lebensweise transformieren kann. Die Mustersprache des Commoning, die ich mit anderen zu erweitern und zu verfeinern beginne, sehe ich dabei als entscheidendes Werkzeug für diesen Wandel.

Sigrun Preissing

Commoning spielt in meinem Alltag eine große Rolle. Seit 20 Jahren bewege ich mich in selbstorganisierten Gruppen, die gemeinschaftliche Infrastrukturen aufbauen, beleben und nutzen. Auf der theoretischen Ebene befasse ich mich vor allem mit der ökonomischen Dimension von Commons und Diversität. Früher habe ich festangestellt als Bildungsschaffende gearbei­tet. Nach Silke Helfrichs Tod habe ich das losgelassen. Seither erforsche und gestalte ich Strukturen, die Lebendigkeit herstellen und bewahren oder begleite Menschen, die dies ebenfalls tun. Es kickt mich, dass es dabei so viel zu lernen gibt. Und so freue ich mich auf das Fühldenken und Probehan­deln mit euch in den Sommerschulen 2024!

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